
Pilze vom Könner
Mirko Kalkum züchtet edelste Speisepilze. Die schmecken sensationell gut und sind auch ästhetisch ein außergewöhnlicher Genuss.
Man kann guten Gewissens behaupten, dass der Mann vom Fach ist: Mirko Kalkum hat in Münster Biologie studiert, mit Diplom abgeschlossen und sich ein Gutteil seines Studiums mit Pilzen und den von ihnen hervorgerufenen Pflanzenkrankheiten bei Weizen und Roggen beschäftigt. Der Liebe wegen zog er nach Saarbrücken, nahm einen Job in der Pharmaindustrie an und verkaufte Lipidsenker gegen zu hohe Cholesterinwerte. Als die Medikamente in Deutschland immer stärker reguliert wurden und das seinen Job bedrohte, erinnerte sich Kalkum an sein Fachwissen. Da gab es doch in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) die Behandlung mit Shiitake-Pilzen. Durch diese wird weniger Cholesterin im Darm aufgenommen und verstoffwechselt.
Aus Neugierde wurde ein Beruf
Kalkum begann mit den Pilzen zu experimentieren, um daraus ein naturheilkundliches Medikament herzustellen: „Ich habe aber schnell festgestellt, dass das aufgrund der Bestimmungen sehr kostspielig werden und lange dauern würde.“ In der Zwischenzeit wuchsen die Pilze vor sich hin. Der entscheidende Tag kam, als ein Nachbar, Einkäufer für den lokalen Einzelhandel, vorbeischaute. Er habe gehört, Kalkum würde Pilze züchten, ob man die auch kaufen könne. Er konnte, und Mirko Kalkum hatte einen neuen Beruf.
Frisches aus dem Stollen
Im Keller einer umgebauten Scheune und in einem Gewächshaus begann Mirko Kalkum mit seiner Pilzzucht, die inzwischen in einen 200 Quadratmeter großen, engen Stollen, der früher von der Feuerwehr genutzt worden war, umgezogen ist. „Shiitake-Pilze haben einen bunten Strauß an Anforderungen“, sagt Kalkum. „Das ist mir erst mit der Zeit klar geworden. Ich habe mich erst mal auf bekannte Pilze konzentriert, weil ich sie regional vermarkten wollte, ohne Zwischenhändler und frisch geerntet.“
Angebot und Nachfrage
Die anspruchsvollen Gastronomen im Saarland merkten schnell, was für einen Schatz Kalkum ihnen da anbot – waren aber ebenso schnell darauf aus, immer wieder Neues auf ihren Speisekarten präsentieren zu können. So erweiterte der Pilzlieferant sein Angebot Sorte um Sorte. „Rosen- oder Flamingoseitlinge kann man wie Speck kurz anbraten“, weiß Kalkum, „und einen schönen Limonenseitling, der wunderbar zu Fisch passt, sieht man quer über den Marktplatz leuchten. Pom-Pom-Pilze haben eine richtige Löwenmähne, haben fast etwas von Blumenkohl, und man kann sie auch panieren. Und Frisee sind ein schöner Fleischersatz. Ein Kunde hat sie zusammen mit Schwarzwurzeln in Brandteig frittiert – ein Gedicht.“
„Man muss ein Gefühl und ein Auge dafür entwickeln, was die Pilze brauchen. Sonst wachsen sie anders und der Hut ist vielleicht zu klein.“
Holz, Sauerstoff und Feuchtigkeit
Kalkum setzt ausschließlich auf holzabbauende Pilze. Auf Sägespänen und mit etwas Kalk versorgt, um die Säure abzupuffern, wachsen heute 15 Sorten wie Kräuterseitlinge, Shiitake, braune und weiße Buchenpilze, orange Goldkäppchen, Samthauben, Austernpilze, Kastanien- und Ulmenseitlinge sowie Maitake bei einer Luftfeuchtigkeit von 90 bis 100 Prozent und einer möglichst konstanten Temperatur von rund 14 Grad Celsius. Und sie verbrauchen sehr viel Sauerstoff, sodass Lüfter den Stollen ständig mit Frischluft versorgen. „Bei dieser Temperatur wachsen die Pilze langsam, aber dadurch sind auch die Geschmacksaromen intensiv und die Pilze halten lange. Man kann sie sogar einfrieren, wenn man mal zu viel gekauft hat“, erzählt Kalkum. „Das Holz bauen sie übrigens in ihren Hut ein.“
Köche wollen Spitzenqualität
Anders als etwa die beliebten Champi¬gnons enthalten holzabbauende Pilze sehr viel weniger Wasser, sind fest im Biss und können wunderbar angebraten werden. Weil Kalkum seinen Pilzen viel Zeit lässt, ist ihre Qualität so herausragend, dass ihm die zahlreichen Spitzenköche der frankreichnahen Genussregion seine Ware geradezu aus der Hand reißen.
Wissen, was die Pilze brauchen
Dazu gehört aber auch sorgfältigste Arbeit. Zwar wachsen die Pilze von alleine, aber schon kleine Fehler können große Auswirkungen haben. „Wenn der Lüfter ausfällt, ist schnell eine ganze Ernte ruiniert“, erzählt Mirko Kalkum. „Man muss ein Gefühl und ein Auge dafür entwickeln, was die Pilze brauchen. Sonst wachsen sie anders und der Hut ist vielleicht zu klein.“ Das ändert zwar erst mal nichts am Geschmack, aber gerade in der Spitzengastronomie kommt es auch sehr auf die Ästhetik an. Und da machen schöne, ausgefallene und obendrein noch leckere Pilze schnell den Unterschied.
Geerntet wird das ganze Jahr
„Anders als in der ‚normalen‘ Landwirtschaft, bei der man eine, höchstens zwei Ernten im Jahr hat, wachsen Pilze in Wellen“, erzählt der Experte. „So alle vier Wochen kann geerntet werden. Das ist viel Handarbeit, aber immerhin ist der Arbeitsplatz kühl und ruhig – schließlich gibt es im Stollen keinen Handyempfang.“
Ein glücklicher Züchter
Der Stollen liegt am Saarbrücker Nussberg, und vom Platz vor der Tür, auf dem auch Verkostungen stattfinden, hat man einen herrlichen Blick über die Stadt Saarbrücken. „Ich habe einfach Glück gehabt“, sagt Kalkum, der für seine Edelpilze rund 30 Euro pro Kilo nimmt und diese in der kühleren Jahreszeit auch online versendet. „Der Trend zum Veganen ist mir dabei auch noch entgegengekommen. Bis auf die viele Arbeit ist es wunderbar und eine Freude zu erleben, wie man selbst etwas großzieht.“
Autor: Peter Würth Fotos: Simon Hofmann









