
Serie Comfort Food: Risotto Milanese
Schlichte Eleganz
Es sind die scheinbar einfachen Gerichte, die unsere Herzen wärmen, unsere Bäuche mit Genuss füllen und uns in ferne Welten wegträumen lassen. WORK erzählt von Comfort Food, bei dem uns das Wasser im Mund zusammenläuft. Dieses Mal geht es um das „Risotto Milanese“.

Perfektion kann so einfach sein! Ein Mailänder Risotto braucht keine edlen Pilze, Muscheln oder Garnelen, um höchstes kulinarisches Vergnügen zu bereiten. Reis, Zwiebeln, Öl oder Butter, Brühe, Safran, Parmesan – das alles in der richtigen Reihenfolge in den Topf gebracht und das wahrscheinlich simpelste Festtagsessen der Welt steht auf dem Tisch.
Innen hart, außen weich
Einst eher ein Arme-Leute-Essen, ist Risotto längst zum „Signature Dish“ Italiens geworden. Edelköche schrecken nicht einmal mehr davor zurück, es mit Goldstaub zu bestreuen. Verwendet werden für ein Risotto je nach Version die Reissorten Arborio, Carnaroli und Vialone. Fürs Mailänder Risotto ist Carnaroli-Reis die erste Wahl. Er hat ein etwas größeres, weniger klebendes Korn, gibt geringfügig mehr Stärke ab als die anderen Sorten und hat den meisten Biss. Carnaroli-Reis ist eine Kreuzung aus den Sorten Vialone und Lencino, die beim Kochen „innen hart bleibt und außen schön weich wird“, wie der Mailänder Risotto-Spezialist Andrea Bertone einmal sagte. Das sei für ihn der optimale Risotto-Reis.
„Carnaroli-Reis bleibt innen hart und wird außen schön weich. Das ist für mich der optimale Risotto-Reis."
Die Rache eines Gesellen
Um die Entstehung des Risottos „alla milanese“ ranken sich allerlei Mythen. Am schönsten ist die Geschichte des Handwerksgesellen, der beim Herstellen der Farben für die Fenster des Mailänder Doms etwas Safran verwendet haben soll, wofür er von seinem flandrischen Meister Valerio verspottet wurde. Er sann auf Rache und mischte am Hochzeitstag von Valerios Tochter etwas Safran in das Risotto des Hochzeitsessens.
Wichtig: ein Löffel mit Loch
Jedenfalls wurde das Mailänder Risotto bereits Anfang des 19. Jahrhunderts im Kochbuch „Nuovo cuoco milanese“ von 1829 erwähnt. Die Grundprinzipien haben sich seit damals nicht geändert. Zwiebeln werden in Olivenöl, Butter oder – typisch fürs Mailänder Risotto – Knochenmark angedünstet, dazu kommt der Reis, der, nachdem er kurz gezogen hat, zuerst mit Wein (Traditionalisten nehmen Rotwein oder lassen den Wein ganz weg, Modernisten setzen auf Weißwein) abgelöscht wird. Nach und nach wird unter ständigem Rühren frische, heiße Gemüse- oder Fleischbrühe zugegeben. Dabei muss der Reis immer von Flüssigkeit bedeckt sein. Gerührt wird mit einem Holzlöffel mit Loch – so bleibt der Reis unbeschädigt. Die Safranfäden werden im Mörser gemahlen und in Brühe aufgelöst und geben dem Mailänder Risotto seine unnachahmlich goldene Farbe.
Eine perfekte Welle
Das Risotto hat die perfekte cremige Konsistenz, wenn der Löffel beim Rühren eine Spur erzeugt, die langsam wieder verschwindet – die Italiener nennen das „l’onda“, die perfekte „Welle“. Zu guter Letzt werden unter den Reis kalte Butter und geriebener Parmesan gehoben – eine geradezu feierliche Handlung, die sogar einen eigenen Namen bekommen hat: „la mantecatura“.
Echtes Slow Food
Risotto ist übrigens ein „primo piatto“, ein Hauptgericht, zu dem mitunter etwas Fleisch als Beilage gereicht wird. Wer einmal ein echtes Mailänder Risotto probieren möchte, ist in der Trattoria Masuelli, einer der besten Risotto-Adressen der Welt, genau richtig. Hier, in dieser originalen „bottega storica“, empfängt die Familie Masuelli seit 1921 ihre Gäste – inzwischen in der vierten Generation. Andrea Masuelli leitet das Restaurant, Vater Max kocht. Dass Kritiker sich schon mal über längere Wartezeiten beklagen, ist restaurantimmanent: Zum einen kann man ein Risotto nicht vorkochen, und außerdem wurden in der Trattoria Masuelli die Prinzipien der Slow-Food-Bewegung von Carlo Petrini und seinen Mitstreitern ersonnen.
Und hier geht's zu weiteren Folgen der Serie Comfort Food:
Photos: © Gnambox, © Trattoria Masuelli




