
Wer Schweine liebt ...
„Am Anfang steht für uns das Tierwohl“, sagt der Speckmacher Mario Kral, der gemeinsam mit seinem Sohn Benjamin auf einem Bergbauernhof im Südtiroler Sarntal Speck macht. „Wir haben zum Beispiel die Schweinerassen so oft gekreuzt, bis sie trittfest waren und ein robustes Gestell kriegten für das Leben auf 1.500 Metern Höhe.“ Dass es den Schweinen gut geht, ist am Unterkranzerhof der Familie Kral das Wichtigste. Wer Schweine so liebt, den lieben sie zurück. Und der Speck von diesen Schweinen ist so legendär wie auch nicht gerade billig.
Speck ist in Zeiten, in denen Fleisch von vielen misstrauisch beäugt wird, ein nahezu atavistischer Begriff. Die Lebensmittelindustrie mit ihren salzigen, zu kurz gereiften Schwarten von Schweinen, die ein würdeloses und kurzes Leben hatten, tut ihr Übriges. Dabei steht Speck für bäuerliche Tradition, für einen delikaten Kraftspender in einer kargen Welt, die von viel Arbeit und dem Leben in der Natur geprägt ist. Wer lange genug sucht, findet auch heute noch Speckbauern, die ihren Beruf als Ehre und Aufgabe verstehen. Zum Beispiel eben in Südtirol.
Ein Tunnel zum Speck
Das Sarntal liegt nicht weit von der im Talkessel pulsierenden Hauptstadt Bozen entfernt. Durch einen Tunnel gelangt man in eine andere Welt. Wenige Hotels, kaum Restaurants (dafür sehr gute), ein bemerkenswerter Gemüsebauer, Tischlereien, Hutmacher. Das Handwerk ist im Sarntal zu Hause und hat nicht die Absicht, auszuwandern. Bewegt man sich Richtung Norden, wo man das Penser Joch (2.211 m) überqueren muss, um nach Meran zu kommen, werden die Siedlungen kleiner, die Straßen enger. Links geht es serpentinenartig bergauf und man kommt vor dem auf 1.540 Meter ü. d. M. gelegenen Unterkranzerhof zum Stehen, der Speckmanufaktur der Familie Kral, deren Speck mit Lobeshymnen bedacht wird.
Ab 95 Euro pro Kilo verlangen die Krals für ihren Speck, 320 Euro sind es gar für den 48 Monate gereiften Premium-Speck. Sie liegen damit deutlich über den Kilopreisen, welche die Mitglieder des „Südtiroler Speck Konsortiums“ für ihre Ware ansetzen, die man auf Märkten und in Supermärkten kaufen kann. Die Gemeinschaft Südtiroler Speckproduzenten soll, wie man hört, auf die Familie Kral und ihren Speck auch nicht besonders gut zu sprechen sein.

Anti-Stresstraining auf der Leiter
Wer Mario und seinen Sohn Benjamin auf dem Unterkranzerhof besucht, sollte etwas Geduld und Neugierde mitbringen. Bevor Benjamin Kral die erste Scheibe Speck präsentiert, baut er die Spannung auf, als wäre er im zweiten Beruf Dramaturg. An den Quartieren für die Rinder vorbei geht es zu den Behausungen der Schweine. Die Schweine finden in ihren offenen Ställen Bewegung, Rückzugsmöglichkeiten, bestes Heu und frische Luft, und das während des ganzen Jahres, auch im Winter. Die Generationen der Schweine wachsen eine Zeit lang getrennt auf. „Die älteren, stärkeren Schweine würden mit den jungen kurzen Prozess machen“, erklärt Benjamin Kral den Besuchern. Neben den Unterkünften der Schweine steht eine hölzerne Leiter. „Hier lernen die Schweine, dass es sich lohnt, diese Leiter hinaufzusteigen, denn danach gibt es eine essbare Belohnung.“ Das Training auf der Leiter dient der Stressbeseitigung.
Die Tiere entscheiden
Was brachte die Familie ins Sarntal? Mario Kral erzählt: „Ich war Bauunternehmer in Südtirol, 90 Angestellte, und irgendwann wusste ich, dass da noch etwas anderes sein müsse, und verkaufte alles. 2011 zogen wir im Unterkranzerhof ein und begannen mit der Zucht.“ Ihre Schweine nennt die Familie Alpenschweine, es handelt sich um eine Kreuzung aus Deutschem Landschwein, Duroc, Schwäbisch-Hällischem Schwein und Iberico. „Man lernt immer dazu, wir wurden immer belächelt, angezeigt, weil die Kühe im Winter draußen sind. Die Schweine können ohnehin hinaus, wann sie wollen“, sagt Kral.
Eineinhalb Jahre Schweineglück
18 Monate führen die Schweine so ein glückliches, ruhiges Leben. Mario Kral erzählt: „Wir haben uns in den vergangenen Jahren die Zusammensetzung des Futters angeschaut und sie dahingehend verändert, dass die Tiere noch langsamer wachsen.“ Ist die Fütterung noch eine vergleichsweise einfache Sache, wird es bei der Speckproduktion kniffliger. Erst mal muss das Fleisch ins Salz. „Hier haben wir eine Mischung, die nicht zu aggressiv ist, denn oft gerät der Speck zu salzig, wenn Zeit durch Salzmenge ersetzt wird. Wirklich guter, gut gereifter Speck ist niemals salzig.“
Der Speck muss reifen wie guter Wein
Nach der Lake geht es für den Speck in den Speckkeller, und dort wird er für vier Jahre vergessen. „Viele Speckbauern fragen sich, was an diesem Speckkeller so besonders ist“, erzählt Benjamin. Sein Vater verrät es, ohne etwas zu verraten: „Es sind die Mikroorganismen und das gewisse Etwas an frischer Bergluft.“ Und natürlich die gleichbleibend kühle Temperatur, in der Speck reift wie ein guter Wein. Fast sechs Jahre dauert es von der Geburt des Ferkels bis zum fertig gereiften Speck.
Nach gut zweieinhalb Stunden Führung der erste Bissen Speck: Zuerst Biss, dann Schmelz beim Kontakt mit der Körperwärme, eine Aromawolke entwickelt sich im Mund, nussig, elegant. Den Speck der Familie Kral gibt es in keinem Delikatessenladen, man bekommt ihn am Hof im Sarntal sowie auf Wochenmärkten, auch in Deutschland. „Den Speckstand, den wir ein paar Jahre in Bozen hatten, haben wir aus Zeitgründen aufgegeben“, sagt Kral. Was er nicht sagt, aber der Autor weiß: Die Leute kamen, kosteten, kauften nichts, weil zu teuer. Doch wie jeder gute Handwerker ist die Familie mit ihrem Produkt nicht reich geworden. Was der Speck vom Unterkranzerhof kostet, das steckt auch an Arbeit drin.
Text: Alexander Rabl Photos: Axel Martens







